Führung im Spannungsfeld – Zwischen Autonomie und Gemeinschaft

Was Menschen motiviert, was Teams zusammenschweißt, was Führung gelingen lässt – es sind zwei scheinbar gegensätzliche Bedürfnisse: das Streben nach Autonomie und das Verlangen nach Gemeinschaft.

Diese beiden Grundkräfte bestimmen laut der Individualpsychologie unser Denken, Fühlen und Handeln. Und: Sie wirken auch in jeder Führungsbeziehung.

Was steckt hinter den beiden Grundstreben?

  • Gemeinschaftsgefühl: Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Sicherheit, Miteinander. Es schafft Vertrauen, Loyalität und Zusammenarbeit.

  • Autonomie: Der Wunsch nach Selbstbestimmung, individueller Wirksamkeit und persönlichem Ausdruck. Es fördert Kreativität, Mut und Innovation.

Beides ist wichtig. Und genau darin liegt die Herausforderung in der Führung: Wie gelingt die Balance?

Die Gefahr: Wenn das Gleichgewicht kippt

Zu viel Gemeinschaft kann zu Anpassungsdruck, Ja-Sagertum oder Innovationsmüdigkeit führen.

Zu viel Autonomie führt schnell zu Isolation, Egoismus oder Orientierungslosigkeit im Team.

Ein gutes Team braucht beides – das Gefühl, eingebettet zu sein und die Freiheit, eigenständig zu handeln.

Führung in diesem Spannungsfeld bedeutet…

  • ... Mut zur Klarheit: Klare Rollen, gemeinsame Werte und Raum für Eigeninitiative.

  • ... Menschen zu sehen: Wer braucht gerade mehr Halt? Wer will mehr Freiraum?

  • ... Dynamiken zu erkennen: Minderwertigkeitsgefühle oder Überkompensation entstehen meist dort, wo das Gleichgewicht gestört ist.

Ein Beispiel aus meiner Praxis:
In einem Team, das ich übernommen hatte, herrschte ein sehr starkes Gemeinschaftsgefühl – aber kaum Autonomie. Die Folge: Unsicherheit, Überforderung bei neuen Aufgaben, kaum Entwicklung. Durch gezielte Ermutigung, neue Rollenmodelle und bewusstes Stärken von Eigenverantwortung haben wir das Gleichgewicht wiederhergestellt – und die Performance stieg sichtbar, denn auch die Motivation war wieder da.

Die Rolle der Führungskraft: Ermutigen und Ausbalancieren

Führung heißt für mich heute: das Spannungsfeld erkennen, moderieren und bewusst gestalten. Ich muss nicht immer alles „lösen“. Aber ich muss die Spannung verstehen – und die Spielräume ermöglichen, in denen beides gelebt werden kann: Zugehörigkeit und Individualität.

Mein Fazit

In einer Welt, die ständig im Wandel ist, braucht es Führungskräfte, die Orientierung geben, ohne Kontrolle auszuüben. Die Verbindung schaffen, ohne Enge zu erzeugen. Und die Freiraum gewähren, ohne sich selbst überflüssig zu machen.

Individualpsychologie liefert dafür kein Patentrezept, aber einen unendlich wertvollen Kompass.

Neugierig geworden?

Im nächsten Artikel zeige ich dir, was es mit Minderwertigkeitsgefühlen im Team auf sich hat – und wie du ihnen als Führungskraft begegnen kannst.

Zurück
Zurück

Vom Zusammenbruch zur Selbstführung – Meine Reise zur Individualpsychologie

Weiter
Weiter

Was Minderwertigkeits-gefühle mit Führung zu tun haben